Ein vor­zei­ti­ges Oster­ge­schenk für die Ohren

Ein vor­zei­ti­ges Oster­ge­schenk mach­te die Stadt­ka­pel­le Wan­gen den Gäs­ten, die am Sams­tag­abend im voll­be­setz­ten Fest­saal der Frei­en Wal­dorf­schu­le saßen. Ein wun­der­voll stim­mi­ger Phil­ip Spar­ke zum Anfang, ein beglü­cken­der und umju­bel­ter Rim­s­ki-Kor­sa­kow zum Schluss und dazwi­schen reich­lich Beein­dru­cken­des, das durch Vio­li­nis­tin San­dra Mart­tu­nen gekrönt wur­de. Das Früh­jahrs­kon­zert unter Lei­tung von Tobi­as Zins­er ließ kei­ne Wün­sche offen.

Die Fähig­keit der Akteu­re, die Cha­rak­te­re der ver­schie­de­nen Musik­wer­ke klang­voll und nach­voll­zieh­bar zum Aus­druck zu brin­gen, begann mit fest­li­chen Blech­blä­ser­fan­fa­ren, vir­tuo­sen rhyth­mi­schen Wen­dun­gen und einem Schluss­mo­tiv mit Ohr­wurm­qua­li­tät: der „Jubi­lee Over­tu­re“ von Phil­ip Spar­ke. Kraft­voll und mit unglaub­li­cher Prä­zi­si­on leg­te sich das Orches­ter „ins Zeug“. Die gute Vor­be­rei­tung in allen Regis­tern war schon hier hör­bar.

Musi­ka­li­sche Ach­ter­bahn­fahrt

Gleich das zwei­te Stück mach­te Bekannt­schaft mit San­dra Mart­tu­nen. Die gebür­ti­ge Köl­ne­rin, die mit ihrer Fami­lie in Kiß­legg lebt, hat sich als Kam­mer­mu­si­ke­rin und als Teil nam­haf­ter Orches­ter bereits einen Namen gemacht. Nun gewann sie die Her­zen der Wan­ge­ner Kon­zert­be­su­cher mit ihrem eben­so anrüh­ren­den wie mit­rei­ßen­den Vor­trag im Sturm. „Intro­duk­ti­on und Ron­do Capric­cio­so op. 28“, das der fran­zö­si­sche Kom­po­nist Camil­le Saint-Saens dem 16-jäh­ri­gen Meis­ter­gei­ger Pablo de Sara­sa­te wid­me­te, wur­de zu einem Bra­vour­stück. Zwi­schen atem­lo­sen „Fan­dan­go-The­men“ und melan­cho­li­schen Zwi­schen­spie­len wur­de die Stim­mung immer wei­ter vor­an­ge­trie­ben. Wobei man ins­ge­samt an eine musi­ka­li­sche Ach­ter­bahn­fahrt erin­nert wur­de.

Nach­dem der „Colo­ni­al Song“ ein­drucks­voll die Land­schaf­ten des aus­tra­li­schen Kom­po­nis­ten Per­cy Aldridge Grain­ger beschrie­ben hat­te und dabei sanf­te und zar­te Melo­dien sowie getra­ge­ne und unge­wöhn­li­che Moti­ve erken­nen ließ, führ­te Sato­shi Yagi­sa­was „Pom­peii“ in die Pau­se. Die­ses Werk ist wie geschaf­fen, um Geschich­te in Musik aus­zu­drü­cken. Abwech­selnd ruhi­ge wie wuch­ti­ge und mas­si­ve Orches­ter­pas­sa­gen lie­ßen am Sams­tag das Leben in der Stadt am Golf von Nea­pel leben­dig wer­den, um dann das gan­ze Aus­maß der Natur­ka­ta­stro­phe, dem „Unter­gang von Pom­peii“ vor Augen zu füh­ren.

Mart­tu­nen als Gei­gen­erzäh­le­rin

Die Kunst, durch Musik Mär­chen leben­dig wer­den zu las­sen, beherrsch­ten rus­si­sche Kom­po­nis­ten meis­ter­haft. Und so erzählt in Niko­lai Rim­s­ki-Kor­sa­kows popu­lärs­tem und far­ben­präch­tigs­tem Werk, der „Suite op. 35“, Sche­he­ra­za­de Sind­bads See­fah­rer-Geschich­ten. San­dra Mart­tu­nen, die am Sams­tag­abend die Posi­ti­on der per­si­schen Prin­zes­sin ein­nahm, rühr­te mit ihrer Erzähl­gei­ge das Publi­kum an. Sie beherrsch­te die weh­mü­tig-kla­gen­den Töne eben­so wie die fun­keln­den Glis­san­di. Wäh­rend der Kom­po­nist das Orches­ter zwi­schen der ori­en­ta­li­schen Klang­welt und unse­ren klas­sisch gepräg­ten Hör­ge­wohn­hei­ten hin und her schwin­gen lässt, gefiel Tobi­as Zins­ers Beto­nung der Gegen­wel­ten durch raf­fi­nier­tes Be- und Ent­schleu­ni­gen. Er glänz­te zudem mit sei­nem prä­zi­sen Diri­gat auch in den här­tes­ten von Sind­bad durch­se­gel­ten Wel­meer-Orka­nen, bevor das Schiff zer­schellt.

Und wie in 1001 Nacht: Sche­he­ra­za­de hör­te nicht auf zu erzäh­len. Fol­ge­rich­tig ließ Tobi­as Zins­er das Werk in einem ein­zi­gen viel­ver­spre­chen­den Ton und immer lei­ser wer­dend aus­klin­gen. Die Gei­ge ver­sprach: Es geht wei­ter! Noch um eine Zuga­be wei­ter ging auch das Früh­jahrs­kon­zert. San­dra Mart­tu­nen ent­lock­te ihrer Vio­li­ne mit dem Film­the­ma aus „Schind­lers Lis­te“ von John Wil­liams eine Stim­mung, die eben­so Trau­er und Wut, viel­leicht auch Ent­schlos­sen­heit beinhal­te­te – dass sich Unrecht nicht wie­der­ho­len darf.

Quel­le: Schwä­bi­sche Zei­tung vom: 10.04.2017 geschrie­ben von Vera Stil­ler