Urauf­füh­rung — Por­trät des Kom­po­nis­ten Bern­hard Tho­mas Klein

Das Leben als Orches­ter­mu­si­ker war zu lang­wei­lig.

Wangen/ Kiss­legg — In die­ser Woh­nung lebt die Musik. Zwei Kla­vie­re — eins braun, eins schwarz — domi­nie­ren das Eck­zim­mer. Dazwi­schen zwei Tuben,

eine Posau­ne, Eupho­ni­um, Tenor­horn. Das gan­ze „tie­fe Blech” also. Auf dem letz­ten im Schlaf­zim­mer ver­blei­ben­den Platz neben dem Bett steht ein Cem­ba­lo, spiel­be­reit.

Der Herr all die­ser Instru­men­te heißt Bern­hard Tho­mas Klein. Das der­zeit wohl wich­tigs­te Musik­ge­rät des 42-Jäh­ri­gen ist aber auf den ers­ten Blick gar nicht zu erken­nen: der Com­pu­ter, der in einem eher dunk­len Win­kel sei­nes Wohn­zim­mers steht. Mit ihm fer­tigt Klein sei­ne Kom­po­si­tio­nen. Gera­de arbei­tet er an sei­ner ers­ten Sin­fo­nie mit dem Titel „Die Argen”. Am heu­ti­gen Sams­tag wird sie urauf­ge­führt — von der Stadt­ka­pel­le Wan­gen unter Lei­tung von Tobi­as Zins­er.
Das Kom­po­nie­ren hat Klein sich weit­ge­hend selbst bei­gebracht. 1997 besuch­te er erst­mals einen Kurs in Markt­ober­dorf. Der bekann­te hol­län­di­sche Blas­mu­sik-Kom­po­nist Jacob de Haan lei­te­te ihn und erklär­te Klein ein paar wesent­li­che Din­ge. Bis dahin war Bern­hard Tho­mas Klein „nur” Musi­ker gewe­sen. Aller­dings her­vor­ra­gen­der. Ursprüng­lich lern­te Klein, der im klei­nen Dorf Rie­der bei Markt­ober­dorf auf­wuchs, Kla­vier. Spä­ter bekam er eine Tuba in die Fin­ger, bald wur­de sie sein Haupt­in­stru­ment. Die tie­fen Töne kamen so geschmei­dig aus dem Rohr, dass Klein Tuba stu­dier­te — erst in Augs­burg, spä­ter in Köln. Als er fer­tig war, wur­de er Orches­ter­mu­si­ker.
Aber das mach­te ihm kei­nen rich­ti­gen Spaß. Er hat­te zu funk­tio­nie­ren, die Krea­ti­vi­tät blieb auf der Stre­cke. „Ich habe lie­ber neue Sachen aus­pro­biert, anstatt die gän­gi­gen Sachen mög­lichst gut zu spie­len”, sagt Klein. Aus­pro­bie­ren hieß: Er ließ sich auf neue Pro­jek­te und auf neue Musik ein. Des­halb hat­te er sich auch schon früh mit dem Jazz ein­ge­las­sen, war eini­ge Jah­re Pia­nist und Tubist der All­gäu­er Big­band Horns Up.

Stadt­ka­pel­le führt „Argen” auf

Die ers­ten Kom­po­si­ti­ons­ver­su­che frei­lich waren wenig ermu­ti­gend, wie Klein frei­mü­tig zugibt. Das lag vor allem an sei­ner Vor­lie­be für Witz, Iro­nie, Par­odie. Vie­le schüt­tel­ten den Kopf, wenn sie die sper­ri­gen Klän­ge hör­ten. Ableh­nung bezog er immer auf sich. „Dann dach­te ich, das Stück ist schlecht.” Die Selbst­zwei­fel taten weh. Inzwi­schen ist das anders. Klein, der 1994 mit sei­ner Frau von Köln ins All­gäu — genau­er gesagt nach Kiß­legg — zurück­kehr­te, hat gelernt, dass er für sei­ne Stü­cke wer­ben und per­sön­li­che Kon­tak­te nut­zen muss. Wie jetzt, bei sei­nem ers­ten gro­ßen Werk, der Argen-Sin­fo­nie.
Sie dau­ert 26 Minu­ten und ist vom Schwie­rig­keits­grad her zwi­schen Ober- und Höchst­stu­fe ange­sie­delt. Eine frü­he­re, kür­ze­re Fas­sung führ­te der Musik­ver­ein Kiß­legg 2004 auf. Nun hat Tobi­as Zins­er, der Diri­gent der Stadt­ka­pel­le Wan­gen, die Sin­fo­nie ins Pro­gramm des Früh­jahrs­kon­zer­tes genom­men. Aller­dings woll­te Zins­er Über­ar­bei­tun­gen und eine Ver­län­ge­rung.
In die­sen Tagen erhält das Werk, das sich inhalt­lich und melo­disch auf das tra­di­tio­nel­le Argen­tal­lied bezieht, den Fein­schliff. Klein ist bei fast allen Pro­ben dabei, bespricht sich danach mit Zins­er, nimmt klei­ne Ände­run­gen vor. „Eine Arbeit, die viel Spaß macht”, sagt Klein. Sechs Sät­ze umfasst die „Argen” und spie­gelt die musi­ka­li­schen Wur­zeln des Kom­po­nis­ten wider. Es gibt Jazz, Volks­mu­sik, einen Wal­zer, eine klas­si­sche Fuge. Rund 50 Wer­ke hat er inzwi­schen im Ange­bot. Sie erschei­nen alle im Eigen­ver­lag. Den hat er — mit dem ihm eige­nen Witz — „ach­mu­sik” getauft.

“Die Argen” von Bern­hard Tho­mas Klein wird heu­te Abend von der Stadt­ka­pel­le Wan­gen urauf­ge­führt. Das Kon­zert beginnt um 20 Uhr in der Wal­dorf­schu­le Wan­gen.

(Erschie­nen: 27.März 2010, Schwä­bi­sche Zei­tung; Autor: Klaus-Peter Mayr)