Stadtkapelle Wangen glänzt bei ihrem Herbstkonzert im Waldorfschul-Festsaal
Für das Herbstkonzert der Stadtkapelle im Saal der Waldorfschule hatte Tobias Zinser ein besonderes Konzerterlebnis versprochen. Wie er das am Samstag als Dirigent eines Blasorchesters der europäischen Spitzenklasse realisierte, war sowohl in der Stückauswahl als auch in der musikalischen Interpretation und Qualität perfekt und voller Leben zugleich.
Die Festival Overture for Band „Olympica” von Jan van der Roost wartete mit einem Klanggewitter aus schmetternden Fanfaren und einem aufgeregten und bewegten Mittelteil auf. Übergänge und Steigerungen waren makellos, das Werk präsentierte sich klanglich und dynamisch differenziert, ohne Bruch griffen alle Register ineinander. Die Stadtkapelle zeigte sich bereits hier als ein bis ins Detail aufeinander abgestimmter Orchesterapparat, der reibungslos funktioniert, ohne dabei seelenlos zu werden.
Orchesterapparat mit Seele
Voller Seele war auch das Vorspiel zu „Die Meistersinger von Nürnberg” von Richard Wagner. Opulent, mit Pathos und zuweilen bombastisch kam diese Werk daher, doch es besitzt auch viele innige und zärtliche Momente. Harmonik und Melodik wurden bis zur Neige ausgekostet, und wenn der Zugang zu dieser Musik heute mitunter schwierig ist, bleibt sie dennoch ein herrlich vollmundiges, sattes Stück Tonkunst.
„The Year oft the Dragon” von Philip Sparke ist ein Klassiker für Blasorchester. Brüske Motive und harte Akkordschläge beherrschen den ersten Teil, der zweite Teil ist warm gehalten und strahlt tiefe Ruhe und Friedfertigkeit aus, bevor er in den streng geordneten Wirbelwind des Schlusssatzes übergeht. Die Stadtkapelle spielte mühelos und virtuos mit den Klangfarben und Klangformen, nicht minder wie bei den zwei „Symphonic Dances” von Yosuke Fukuda. In „Hoedown” jazzte und „gershwinte” es mit unkomplizierter Fröhlichkeit, und der arabische Einschlag beim „Belly Dance” zeigte viel Gespür für Abläufe und Verdichtung – und den Genuss, mit dem die Stadtkapelle diese lebendige, mit kräftigen Farben gezeichnete Musik spielte.
Maslanka als Höhepunkt
Den Höhepunkt hatte sich Tobias Zinser bis zum Schluss aufgehoben: Die Symphony Nr. 4 des Amerikaners David Maslanka. Was sich hier im Saal entwickelte, verdient das Prädikat „außergewöhnlich”. Warm strahlten zunächst Themen und Motive, umfingen die Zuhörer sanft, doch unterschwellig, fast unmerklich änderte sich der Charakter der Musik und schlug schließlich in atemlose Bedrängnis und Beklemmung um. Motive verschoben sich um winzige Zeitspannen, die Harmonien entwickelten eine elementare Wucht, die das Hören überwältigt.
Am Ende der Sinfonie steht ein machtvoller Gesang, der sich aus einem Bach-Choral entwickelt und der in seiner Fülle und Kraft alles hinwegfegt und die Zuhörer unter sich begräbt. Man bleibt sprachlos zurück, denn die Sprache versagt. Angesichts der Gefühle, Eindrücke und Tiefgründigkeit, die diese Musik unmittelbar ins Innere des Hörers transportiert. „Eines deutschen Meisters würdig”, lautete ein Kommentar aus dem Publikum. Dem ist nichts mehr hinzuzfügen.
Quelle: Schwäbische Zeitung vom 28.10.2013 | Autor: Johannes Rahn | Photo: Rahn
