Wie­der ein Pro­gramm der Extra­klas­se

Zehn Jah­re lei­tet Tobi­as Zins­er nun schon die Stadt­ka­pel­le Wan­gen. Beim Kon­zert am Sonn­tag­abend im Saal der Wal­dorf­schu­le dank­te ihm Ober­bür­ger­meis­ter Micha­el Lang für die Arbeit und hob beson­ders her­vor, dass er das Niveau der Stadt­ka­pel­le wei­ter aus­ge­baut habe. Der größ­te Erfolg war der ers­te Platz beim deut­schen Orches­ter­wett­be­werb 2014. Die Dan­kes­wor­te waren nicht zu hoch gegrif­fen. Auch dies­mal war­te­te die Stadt­ka­pel­le mit einem Pro­gramm der Extra­klas­se auf.
In „Mor­gen­lied und Auf­zug der Hee­re“ aus Wag­ners „Lohen­grin“ schäl­te sich wie aus einem auf­stei­gen­den Nebel ein far­ben­präch­ti­ges Gemäl­de her­an­zie­hen­der Trup­pen. „Lin­colnshire Posy“ von Per­cy Aldridge Grain­ger ver­ar­bei­tet, melo­disch ori­gi­nal­ge­treu, sechs alte eng­li­sche Volks­lie­der. Ein kom­ple­xes, spät­ro­man­ti­sches Har­mo­nie­ge­flecht und über­ein­an­der geschich­te­te Metren waren die Grund­la­ge für ein dyna­mi­sches Feu­er­werk, das von kam­mer­mu­si­ka­li­scher Inti­mi­tät bis zu epi­scher Brei­te reich­te.
 
David Mas­lanka mach­te in sei­nem Werk „Tra­ve­ler“ das Leben selbst zum The­ma. Voll unbän­di­ger Kraft, atem­los und mit faus­ti­scher Gewalt zer­säg­te er den Bach­cho­ral „Nicht so trau­rig, nicht so sehr“ mit den Säge­zäh­nen grel­ler Mix­tu­ren und grol­len­den Rhyth­men. Die Über­gän­ge ätz­ten sich per­fekt in die hel­le Klang­struk­tur ein, und doch ließ der Kom­po­nist das Werk mit einer sehn­suchts­vol­len Melo­die über einer lang­sam pul­sie­ren­den Beglei­tung lang­sam ver­lö­schen: Leben pur in sei­ner gan­zen Fül­le und End­lich­keit.
 
Kräf­ti­ge Far­ben, sat­te Müdig­keit
Die in nur drei Tagen von Dimi­t­ri Schost­a­ko­witsch kom­po­nier­te „Fest­li­che Ouver­tü­re“ zau­ber­te aus ein­fa­chen Grund­ele­men­ten ein geist­rei­ches Wech­sel­spiel ein­gän­gi­ger Moti­ve und leben­di­ger Rhyth­men. „Octo­ber“ von Eric Whi­tacre besaß in einem breit gefä­cher­ten Satz gol­de­ne Fül­le. Die Beschrei­bung des Herbs­tes schwelg­te in kräf­ti­gen Far­ben, strahl­te eine sat­te Müdig­keit aus und wirk­te trotz­dem sehr zer­brech­lich und flüch­tig.
 
Sato­shi Yagi­sa­wa ließ sei­ne „Hymn to the Sun“ mit einer schwe­re­lo­sen Sequenz begin­nen, die sich zu einem raum­spren­gen­den Hym­nus stei­ger­te. Gedeck­te Klang­far­ben mün­de­ten in einen wil­den Tanz mit uner­bitt­li­chem Rhyth­mus, des­sen archai­sche Wild­heit schließ­lich zur Schwe­re­lo­sig­keit des Beginns zurück­kehr­te. Ein gesun­ge­ner Cho­ral und eine rasan­te Coda brach­ten die­se impo­san­te Dar­stel­lung mit ihren bruch­lo­sen Wech­seln von Dyna­mik und Klang­far­ben zum Abschluss.
 
„Child­ren of San­chez“ von Chuck Man­gio­ne war­te­te mit aggres­si­ven Rhyth­men, viel Schlag­werk und süd­län­di­schem Tem­pe­ra­ment auf. Dani­el Zind­stein blies das Flü­gel­horn-Solo ver­siert und mit dem rich­ti­gen Gefühl für das Stück. „Gen­tle­men-like“ been­de­te die Stadt­ka­pel­le das Kon­zert mit dem Marsch Nr. 4 aus „Pomp and Cir­cum­s­tance“ von Edward Elgar, auch dies ein Werk, dem die Stadt­ka­pel­le eine unge­mein mit­rei­ßen­de und unmit­tel­ba­re Leben­dig­keit ver­lieh.
 
Tobi­as Zins­er ver­steht es, den klang­ge­wal­ti­gen Orches­ter­kör­per mit chir­ur­gi­scher Prä­zi­si­on ein­zu­set­zen und die Stü­cke per­fekt zu model­lie­ren. Man darf also auf die „Wan­gen Sym­pho­ny“ gespannt sein, die die Stadt bei „Alt­meis­ter“ James Bar­nes für die 1200-Jahr-Fei­er in Auf­trag gege­ben hat. Dem Kom­po­nis­ten ste­hen alle Mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung, über die ein erst­klas­si­ges Blas­or­ches­ter wie die Stadt­ka­pel­le ver­fügt.
 
Quel­le: Schwä­bi­sche Zei­tung 28.10.2014 geschrie­ben von: Rahn