Toskanisches Lebensgefühl und kulturelles Flair bezaubern die Reisenden
Zum 1200-jährigen Jubiläum kann die Stadt Wangen in diesem Jahr zahlreiche Gäste begrüßen. Nun haben sich am Samstag den 5. September die Stadtkapelle und ein Bürgerbus zum Gegenbesuch im Rahmen des großen Stadtfestes von Prato in die drittgrößte Stadt Mittelitaliens aufgemacht.
Zunächst scheint es untypisch, gerade in der für weltberühmte Weine bekannten Toskana ein Bierfest zu besuchen. Doch im Ortsteil La Querce ist es für Wangener Besucher schon zur Tradition geworden, das heimische Bier selbst auszuschenken und für musikalische Unterhaltung zu sorgen. Sozusagen im Gegenzug für die jährliche Bewirtung durch die italienischen Gäste bei der Kulturnacht auf dem Wangener Marktplatz. Die Stadtkapelle zeigte sich bei dieser Gelegenheit von ihrer volkstümlichen Seite und stimmte die Besucher mit der „Polka-Besetzung“ auf den Abend ein.
Musikalischer Höhepunkt war für das musikalische Aushängeschild Wangens das Konzert auf dem Rathausplatz am Sonntagabend. Ziel der Programmgestaltung war für Dirigent Tobias Zinser, die Balance zwischen deutscher und italienischer Traditionsmusik sowie zeitgenössischer, symphonischer Musik für Blasorchester zu finden, die auch noch für die Aufführung im Freien geeignet sind. Mit dem Huldigungsmarsch von Richard Wagner und der Ouvertüre zu Oper Nabucco gelang gleich zu Beginn die Reminiszenz an die beiden großen Antipoden der europäischen Romantik. Der Florentiner Marsch im Stile des Grande Marcia Italiana und Walzermelodien von Johann Strauß erweiterten die deutsch-österreichisch-italienisch geprägten musikalischen Wurzeln. Abgerundet wurde das Programm im Wesentlichen durch Klassiker der aktuellen Blasorchester-Symphonik, The Hounds of Spring von Alfred Reed und Arabesque von Samuel Hazo. Bürgermeister Ulrich Mauch begleitete die Delegation über die insgesamt fünftägige Reise und überbrachte die besten Grüße der Allgäuer Jubiläums-Stadt. Insbesondere hob er den Stolz der Stadt Wangen auf ihre Stadtkapelle hervor, die ja amtierender Meister des Deutschen Orchesterwettbewerbs ist.
Neben diversen kulturellen Höhepunkten, wie der Stadtführung in Florenz und dem Besuch des Weingutes Pugliano – wo unter anderem der Wangener Jubiläumswein gedeiht — war der grandiose Abschluss die Teilnahme am Corteggio Storico, dem Umzug zum großen Stadtfest in Prato, traditionell am 8. September. Ein Vier-Stunden-Marathon eines komplett ausgestatteten 60-Mann-Orchesters, ohne Pause und Verpflegungsmöglichkeit, erforderte natürlich eine dezidierte Vorbereitung. Essen und Trinken — nicht zu viel, nicht zu wenig – gründliches Einspielen, damit der Ansatz für so ein Vorhaben ausreicht sowie entsprechendes mentales Einstimmen waren wichtige Aspekte, hatten doch alle Musiker großen Respekt, wie so etwas wohl zu schaffen sei. Aber Besorgnis war nicht angebracht. Tausende Zuschauer säumten die zum Teil engen Gassen der 190.000 Einwohner Stadt und machten den sechs Kilometer Marsch zu einer kurzweiligen, in der geschmückten und erleuchteten Stadt sogar zu einer vergnüglichen Erfahrung. Wie beliebt die deutschen Gäste in Prato sind, war durch die Begeisterung zu spüren, als die Zuschauer erfuhren, dass es sich um ein deutsches Orchester handle. Den Höhepunkt bildete die Präsentation des „Madonnen-Gürtels“ — der Überlieferung nach der Gürtel den Maria getragen haben soll — auf dem Domplatz. Die Stadtkapelle hatte die Ehre, in Anwesenheit des Bischofs, des Oberbürgermeisters sowie des italienischen Fernsehens, mit dem Choral Ave Maria von Bach-Gounod, die Festgemeinde auf dieses bedeutende Ritual einzustimmen. Der traditionelle Abschluss des Corteggio bildete das Feuerwerk im historischen Zentrum der Stadt, dem mittelalterlichen Kastell.
Ein insgesamt reich an kulturellen Eindrücken geprägter Besuch in der Partnerstadt Prato ging zunächst zu Ende und die Stadtkapelle machte sich am Mittwoch auf die rund 10-stündige Heimreise. Doch halt, so ganz zu Ende war diese Begegnung mit den Freunden aus Prato nicht. Denn bereits am Donnerstagabend, beim Geburtstags-Ständchen zu Ehren des 50. Geburtstages von Oberbürgermeister Lang, trafen sich die Prateser Gastgeber, Bürgermeister Mauch und die Stadtkapelle wieder und freuten sich ob dieser unmittelbaren Fortsetzung der bestehenden Freundschaft – diesmal in der Allgäuer Jubiläumsstadt.
Foto: Christoph Morlok; Text: Daniel Zindstein