Stadt­ka­pel­le prä­sen­tiert sich in Top­form

In einem fast aus­ver­kauf­ten Fest­saal der Wal­dorf­schu­le ser­vier­te die Stadt­ka­pel­le ein hoch­ka­rä­ti­ges Früh­jahrs­kon­zert. Das Pro­gramm, das Stadt­mu­sik­di­rek­tor Tobi­as Zins­er zusam­men­ge­stellt hat­te, hielt, was es ver­sprach: ein Blas­or­ches­ter in Top­form mit außer­ge­wöhn­li­chen Musik­stü­cken, gespielt auf höchs­tem Niveau.

Über die musi­ka­li­sche Prä­zi­si­on, das per­fekt insze­nier­te Klang­bild und die gestal­te­ri­schen Fähig­kei­ten der Stadt­ka­pel­le ist so oft berich­tet wor­den, das einem lang­sam die Adjek­ti­ve und die sprach­li­chen Ver­glei­che dafür aus­ge­hen. Dass ein Ensem­ble qua­si „in der Pro­vinz“ eine sol­che Spit­zen­qua­li­tät erreicht, ist schon bemer­kens­wert genug. Dass es die­ses Niveau über Jahr­zehn­te hält und unter wech­seln­der Lei­tung immer wei­ter aus­baut, spricht Bän­de über die musi­ka­li­sche Aus­bil­dung in unse­rer Regi­on.

Die Stadt­ka­pel­le ist die Spit­ze eines Eis­bergs von guten und sehr guten Kapel­len und Blas­or­ches­tern, die sich im All­gäu und ganz Ober­schwa­ben tum­meln. Und da kann Tobi­as Zins­er natür­lich musi­ka­lisch aus dem Vol­len schöp­fen. Den Hul­di­gungs­marsch von Richard Wag­ner setz­te die Stadt­ka­pel­le als Klang­or­gie in Sze­ne, wuch­tig, breit, mit einem Schuss Pathos. In Gus­tav Holsts „First Suite“ leg­te sie dann die­se viel­fäl­ti­gen Klang­kom­bi­na­tio­nen offen, ohne die moder­ne Blas­mu­sik nicht mög­lich ist, von kam­mer­mu­si­ka­li­scher Inti­mi­tät bis zu weit aus­grei­fen­den, den Raum spren­gen­den Klang­struk­tu­ren.

Genia­les Kom­bi­na­ti­ons­spiel
Die „Rhap­so­dy in Blue“ von Geor­ge Gershwin reih­te sich hier naht­los ein mit ihrer Mischung aus Jazz, Big-Band-Sound, Rag­time, Broad­way-fee­ling und euro­päi­scher Kunst­mu­sik Hier war höchs­te Fle­xi­bi­li­tät gefor­dert, all­ge­mein, wie auch im Zusam­men­spiel mit dem Solo­part, den Pia­nis­tin Nata­scha Say­bal aus Tschel­ja­b­insk ful­mi­nant und facet­ten­reich. Das genia­le kom­po­si­to­ri­sche Kom­bi­na­ti­ons­spiel Gershwins fand sein adäqua­tes Gegen­stück im nicht weni­ger genia­len Kom­bi­na­ti­ons­spiel von Solis­tin und Stadt­ka­pel­le.

Die „Second Sin­fo­ni­et­ta“ von Thie­mo Kraas ist brand­neu und erst das zwei­te Mal über­haupt zu hören. Motiv­split­ter fügen sich lang­sam zusam­men, ver­dich­ten sich, kris­tal­lie­ren aus zu sin­fo­ni­scher Tie­fe und die Stadt­ka­pel­le schäl­te jeden die­ser Split­ter kon­tu­riert her­aus, wie mit dem Skal­pell, jeder Ton trat klar und deut­lich in sei­nem Zusam­men­spiel mit den ande­ren her­vor und die Wir­kung war unge­mein dicht und mit­rei­ßend.

Sei­ne „Sym­pho­nic Ouver­tu­re“ hat James Bar­nes mit kräf­ti­gen musi­ka­li­schen Far­ben gezeich­net und die Stadt­ka­pel­le lies das Werk präch­tig und eben­so kraft­voll auf­blü­hen. „Extre­me Beet­ho­ven“ von Johann de Meji schick­te Beet­ho­ven-Zita­te durch ein Säge­git­ter von Clus­tern und Rhyth­men, lös­te sie in Bruch­stü­cke auf und setz­te sie neu zusam­men bis hin zum Ein­marsch einer klei­nen Kapel­le, die völ­lig los­ge­löst vom Haup­t­en­sem­ble agier­te. Bekann­tes wur­de durch furio­se Klang­wir­kun­gen ver­frem­det und doch war das Gan­ze so ener­gie­ge­la­den und elek­tri­sie­rend, dass es irgend­wie zu Beet­ho­ven pass­te. Zahl­lo­se Nuan­cen, dyna­mi­sche Viel­falt und tech­ni­sche Bril­lanz bil­de­ten wie­der die Grund­la­ge für die durch­schla­gen­de Wir­kung des Stücks.

„Music for a Fes­ti­val“ von Phil­ip Spar­ke war sprit­zig und vor­an drän­gend, der Mit­tel­teil but­ter­zart und der Schluss­teil rasant und vom sel­ben unge­brems­ten Lebens­ge­fühl geprägt wie der „Opti­mis­ten-Marsch“ von Miros­lav Juchel­ka.

Die ers­te Zuga­be war eine Hom­mage an Tschel­ja­b­insk, das die Stadt­ka­pel­le die­ses Jahr wie­der besu­chen wird: Der etwas weh­mü­ti­ge Marsch „Abschied der Sla­vin“ und dann, spät­ro­man­tisch-klang­mäch­tig der Aus­schnitt aus dem Fina­le von Brahms 1. Sin­fo­nie, der auf einer Alp­horn-Melo­die basiert: „Also blus das Alp­horn heu­te“, rund, weich, satt im tie­fen Blech und den Hör­nern gegrün­det.

Quel­le: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 14.03.2019; geschrie­ben von: Johan­nes Rahn