Das Jugendblasorchester und die Stadtkapelle gestalten gemeinsam ihr Frühjahrskonzert. Die musikalischen Möglichkeiten ausspielen, die das Jugendblasorchester Wangen unter der Leitung von Reiner Hobe und die Wangener Stadtkapelle mit Tobias Zinser am Pult haben, ist im Mittelpunkt des Frühjahrskonzerts am Samstagabend gestanden.
Vor einem nahezu ausverkauften Festsaal der Freien Waldorfschule Wangen erklang ebenso Sinfonisches wie Populäres. Den Gipfel instrumentaler Ausgereiftheit erklomm Johan de Meijs Komposition „Extreme Beethoven“.
“Freuen Sie sich auf einen abwechslungsreichen Konzertabend“, begrüßte Gerolf Stitzenberger, Vorstand der Stadtkapelle, das Publikum, das ein frisches, junges Musikprogramm erwartete. In dem Zusammenhang erwähnte er den tragischen Grillunfall im März nahe der Praßbergschule, bei dem eine 17-jährige Musikerin aus dem Jugendblasorchester schwerste Verbrennungen erlitt und derzeit in einer Stuttgarter Spezialklinik behandelt wird. Ihr galten die besten Genesungswünsche aller Musiker und Gäste.
Harmonischer Gesamtklang
Der erste Part des Abends gehörte dem Jugendblasorchester, dessen weicher, harmonischer Gesamtklang sich in Carl Wittrocks „The Baron of Dedem“ durchsetzte. Stürmischer ging es gleich vom ersten Takt an in Robert Sheldons Ouvertüre „Choreography“ zu, besänftig durch einen von Trompeten dominierten Mittelteil und aufgehend in einem opulenten, spieltechnisch vertrackten Finale.
Leicht und keck gebärdete sich dagegen „Children’s March“, rockig mit ordentlichem Drive „New Age Rock“. Dazwischen genoss Posaunist Simon Weber seinen Solo-Auftritt zum Blues „Trombone Dream“ des Argenbühler Komponisten Walter Schneider. Mit gewaltiger Stimmkraft, die das bekannte Rieseln auf der Haut entfachte, sang Theresa Gauß mit dem Mut machenden Popsong „You raise me up“ – auch noch einmal, um auf musikalischem Wege der verunglückten Musikerin neue Kraft zu schenken.
„Da gehört schon was dazu, sich hier hinzustellen und so was rauszulassen“, zeigte Tobias Zinser offen seine Freude über die beiden jungen Solisten. Er ließ es sich nicht nehmen, die fünf für die Stadtkapelle ausgewählten Werke selbst zu moderieren. Die Ouvertüre zur Oper „Maskarade“ des Dänen Carl Nielsen, bei der das Liebespaar Leander und Leonora im Mittelpunkt stehen, gehört dazu ebenso wie das bekannte „The Hounds of Spring“.
Ausdrucksstarke Fingerzeige
Zinser ist ein Feinnerviger, der mittels ausdrucksstarker Fingerzeige die wechselnden Orchestersätze durch Höhen und Tiefen, durch langsame und temporeiche Passagen lenkt. Ihm gelingt es, fast unmerklich schwebende Übergänge von stark Bewegtem hin zu romantisch Gefärbtem zu formen.
Der Stadtkapelle bestes Stück am Abend war Johan de Meijs Werk „Extreme Beethoven“. Diese Metamorphosen über Themen von Ludwig van Beethoven, darunter die „Mondscheinsonate“, „Für Elise“ und „Türkischer Marsch“, sorgten in der Tat für Überraschungen.
Blaskapelle marschiert ein
Nicht nur rein instrumentaler Natur, welche sich breit auffächerte zwischen kammermusikalischen Sequenzen, aufreißerischen Klangcollagen, rockigen und tänzerischen Akkorden, angetrieben von Glockenspiel und Schlagzeug.
Nein, die eigentliche Überraschung bot eine von der Saalseite einmarschierende Blaskapelle mit wuchtigen Paukenschlägen, während auf der Bühne die Hommage an Beethoven sich weiter steigerte. Hin zu Jazzigem, hämmernden Rhythmen und messerscharf die Luft durchschneidenden Zischlauten. Etwas aus der Puste gekommen war Zinser danach schon, aber um so glücklicher über die Bravorufe aus dem Saal. Ruhiger nach diesem gewaltigen Sturm klang dieses Gemeinschaftskonzert mit insgesamt an die 150 Musikern aus.
Quelle: Schwäbische Zeitung (Erschienen: 13.04.2014 17:10)
