Der Titel­ver­tei­di­ger aus Wan­gen ist bes­tens vor­be­rei­tet

Das Früh­jahrs­kon­zert der Stadt­ka­pel­le im Fest­saal der Wal­dorf­schu­le stand am Sams­tag­abend ganz im Zei­chen des Deut­schen Orches­ter­wett­be­werbs. Das Pflicht­stück und das Selbst­wahl­stück hat die Stadt­ka­pel­le mit aufs Pro­gramm genom­men, qua­si als Gene­ral­pro­be. Dabei prä­sen­tier­te sich der Titel­ver­tei­di­ger unter der Lei­tung von Tobi­as Zins­er in Best­form.

Bedeu­tungs­schwan­ger und dann mit weit­ge­spann­ten Bel-Can­to-Melo­dien begann das Kon­zert mit der Ouver­tü­re zur Oper „Il Gua­ra­ny“ von Anto­nio Car­los Comes. Im Wech­sel der Stim­mun­gen brei­te­te die Stadt­ka­pel­le bereits hier ihr gan­zes dyna­mi­sches Kön­nen aus. Sol­cher­art warm gespielt, folg­te das Pflicht­stück für den Orches­ter­wett­be­werb, „Varia­ti­ons on a Bach Chora­le“ von Jack Stamp. Barock und Moder­ne misch­ten sich hier ganz selbst­ver­ständ­lich, der far­bi­ge bach’sche Cho­ral­satz wur­de noch far­bi­ger vom Blech fort­ge­führt, dann über­nahm das Schlag­werk und ließ die Melo­die wei­ter im Gesamt­klang erah­nen. Über rhyth­misch geschärf­ten Choral­frag­men­ten schwang sich die Melo­die empor, und doch besaß das Gan­ze einen drän­gen­den, ruhe­lo­sen Cha­rak­ter, ganz nah am Text: „Nimm von uns, Herr, du treu­er Gott“. Eng­ma­schi­ge Dyna­mik misch­te sich mit wei­chen Far­ben der Holz­blä­ser, immer wie­der brach das For­dern­de durch, bis die mäch­tig ange­leg­te Fuge das Stück abschloss.

Frühjahrskonzert 2016In „Audi­vi Media Noc­te“ hat Oli­ver Waespi eine Motet­te von Tho­mas Tal­lis aus dem 16. Jahr­hun­dert ver­ar­bei­tet. Ein kan­ti­ger Auf­takt des Blechs und wir­beln­de Holz­blä­ser lei­te­ten das Werk ein, in dem die Stadt­ka­pel­le auf engs­tem Raum navi­gie­ren muss­te und ein reich­hal­ti­ges Klang­spek­trum offen­bar­te. Das Werk schwank­te zwi­schen Träu­me­rei und Rase­rei, atem­lo­se Dich­te ent­wi­ckel­te sich im Wech­sel­spiel von Solo­grup­pen (Bon­gos, Schlag­zeug, Bari­ton-Saxo­phon, Posau­ne, Trom­pe­te und Tenor­horn) und dem Tut­ti. Immer enger und zor­ni­ger wur­de der Satz. Die durch­schla­gen­de Rasanz gip­fel­te in der Schich­tung von Moti­ven und Rhyth­men in der gran­dio­sen Schluss­se­quenz.

Bei der „Cuban Over­tu­re“ von Geor­ge Gershwin konn­te sich das Ohr bei geschmei­di­ger und schwung­vol­ler, kari­bisch inspi­rier­ter Musik ent­span­nen, die qua­si „mit Hüft­schwung“ durch den Saal tän­zel­te. Stolz folg­te das musi­ka­li­sche Por­trät der Ent­de­ckung Neu­see­lands, „The Land oft he long white Cloud — Aote­aroa“ von Phil­ip Spar­ke. Ein aus­ge­las­se­nes Marsch-The­ma wur­de fort­ge­spon­nen, bis die Holz­blä­ser eine elfen­haf­te Stim­mung zau­ber­ten und zum über­mü­ti­gen und zugleich fest­li­chen Schluss über­lei­te­ten.

„Fnugg Blue“ von Oystein Baadsvik war ein außer­ge­wöhn­li­ches Stück, das die Tuba, gespielt von Peter Hasel, vor beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen stell­te. Die „Win­zig­keit“ – so könn­te man den Titel über­set­zen – ent­pupp­te sich als Schwerst­ar­beit mit auf der Tuba noch nie dage­we­se­nen Klang­mus­tern: Zwei­stim­mig mit­tels Ober­ton­ge­sang hat­te die Solo­pas­sa­ge etwas Urtüm­li­ches, Archai­sches und zugleich Hyp­no­ti­sches, und als das Tut­ti ein­stieg, misch­ten sich Funk-Anklän­ge mit nor­we­gi­scher Folk­lo­re, ein Stück, das in sei­ner Wir­kung und sei­ner musi­ka­li­schen Viel­falt begeis­ter­te.

Am Schluss des Kon­zerts stand „Gra­na­da“ von Augus­tin Lara. Die sprit­zi­ge Bear­bei­tung mit ihrem zün­den­den Rhyth­mus, den herr­li­chen Melo­dien und der cha­rak­te­ris­ti­schen Pau­se war per­fekt dar­ge­bo­ten und die zwei Zuga­ben, der „Ein­zug der Gla­dia­to­ren“ von Juli­us Fucik und Ser­gej Rach­ma­ni­nows „Pol­ka ita­li­en­ne“ brach­ten das Kon­zert mit Spiel­freu­de und aus­ge­feil­ter Dyna­mik zu Ende. Fazit: Die Stadt­ka­pel­le tritt gut vor­be­rei­tet zum Wett­be­werb an. Ein­zi­ger Wer­muts­trop­fen des Abends: man hät­te die­sem außer­ge­wöhn­li­chen und hoch­ka­rä­ti­gen Kon­zert noch ein paar Besu­cher mehr gewünscht.

Quel­le: Schwä­bi­sche Zei­tung vom: 21.03.2016; Johan­nes Rahn; Bild: Chris­toph Mor­lok