Früh­jahrs­kon­zert: „Die Argen“ ver­strömt medi­ta­ti­ve Ruhe

Die Wan­ge­ner Stadt­ka­pel­le zu loben, ist schon fast müßig. Tech­ni­sche Per­fek­ti­on und musi­ka­li­sches Niveau ste­hen außer Fra­ge. Die Kapel­le gehört in Euro­pa zu den bes­ten Blas­or­ches­tern. So war das Span­nen­de beim Früh­jahrs­kon­zert nicht die Ent­wick­lung der Stadt­ka­pel­le. Span­nend war, wel­che Stü­cke Diri­gent Tobi­as Zins­er aus­ge­sucht und wie er sie umge­setzt hat.

fruehjahrskonzert-2010

In „Fin­lan­dia“ hat Jean Sibe­l­i­us die See­le sei­nes Hei­mat­lan­des mit einer Viel­falt in Töne gefasst, die der mensch­li­chen Spra­che kaum nach­steht und so war das Stück an Aus­drucks­fül­le und Tie­fen­wir­kung kaum zu über­bie­ten. Auch „The Sun­ken Vil­la­ge“ von Phil­ip Spar­ke, eine Bal­la­de über die ver­sun­ke­ne Stadt Vine­ta, besaß die­se Tie­fe. In einem fül­li­gen, trau­ri­gen Cho­ral stieg das Bild der Stadt lang­sam empor und wur­de über­la­gert von fest­li­cher und tän­ze­ri­scher Musik. Der Tanz auf dem Vul­kan, das trot­zi­ge Anspie­len gegen den dro­hen­den Unter­gang, ver­band eine glän­zen­de musi­ka­li­sche For­men­spra­che mit ein­drucks­vol­len Effek­ten und stell­te den Zuhö­rer mit­ten ins Gesche­hen.

Mit sei­ner Sin­fo­nie Num­mer eins, „Die Argen“, hat Bern­hard Tho­mas Klein eben­falls ein Werk geschaf­fen, das die Zuhö­rer gefan­gen nahm. Text und Melo­die des Argen­tal­lie­des lie­fer­ten das Mate­ri­al. Beson­ders in den lang­sa­men Sät­zen gelan­gen magi­sche Momen­te, getra­gen von tie­fer Sehn­sucht, Zärt­lich­keit und Lie­be. Es ist geer­de­te Musik, die ihre Kraft aus der Tie­fe schöpft und mit­un­ter medi­ta­ti­ve Ruhe ver­strömt. Der vier­te Satz bau­te sich über eine Fuge lang­sam zu einem Wech­sel­spiel der Sti­le und Wir­kun­gen auf, schlug plötz­lich in Jazz um, wur­de immer enger und dich­ter und ebne­te dem tän­ze­ri­schen Schluss­satz den Weg. Es war sat­te Musik, in der sich See­le und Bil­der des Argen­ta­les wie­der fan­den.

Der Tsche­che Zde­nek Lukas hat in sei­ner „Pra­ger Fest­mu­sik“ zwei gegen­sätz­li­che Moti­ve geni­al inein­an­der ver­schränkt und der chan­gie­ren­de Cha­rak­ter wech­sel­te von tän­ze­risch zu gefühl­voll, war stolz und mar­tia­lisch, reich­te vom kam­mer­mu­si­ka­li­schen Pas­sa­gen bis hin zu einer alles über­wäl­ti­gen­den Klang­or­gie.

Auch H. Owen Reed nahm für sei­ne „Fies­ta Mexi­ca­na“ Anlei­hen bei mexi­ka­ni­scher Volks­mu­sik. Der Ruf zum Fest stei­ger­te sich zu immenser Dich­te, ging naht­los in den india­ni­schen Tanz über und far­ben­präch­ti­ge Bil­der von wir­beln­den Tän­zern tauch­ten vor dem inne­ren Auge auf. Eine fast nicht mehr aus­zu­hal­ten­de Klang­stei­ge­rung und Klang­schär­fung brach­te der zwei­te Satz, wäh­rend der drit­te Teil die Stadt­ka­pel­le mit kom­ple­xen rhyth­mi­schen Struk­tu­ren for­der­te – soli­des Hand­werk ver­band sich mit inspi­rie­ren­dem musi­ka­li­schen Schwung und das Stück nahm einen bis zur letz­ten Note gefan­gen.

Nicht min­der gefan­gen nahm einen „Hajj“, die mos­le­mi­sche Pil­ger­rei­se nach Mek­ka von Ste­phen Mel­il­lo. Ori­en­ta­li­sche Ele­men­te misch­ten sich mit hel­len Mix­tu­ren und die Wüs­te wog­te warm her­an. Hel­le, lich­te Satz­tech­nik herrsch­te auch in den hef­ti­gen Tut­ti­pas­sa­gen vor und die musi­ka­li­schen Ruhe­punk­te leuch­te­ten wie grü­ne Oasen. Als Zuga­be erklang der „Opti­mis­ten-Marsch“, denn die Stadt­ka­pel­le erhofft sich einen neu­en Pro­ben­raum. Danach war die opu­len­te Fül­le des St.-Thomas-Chorales zu hören. Das Ohr wur­de nicht müde. Wel­ches Lob könn­te grö­ßer sein?

(Erschie­nen: 29.03.2010, Schwä­bi­sche Zei­tung; Autor: Johan­nes Rahn)