Wan­gens Stadt­ka­pel­le spielt eine Urauf­füh­rung

Das Früh­jahrs­kon­zert ist ein vol­ler Erfolg. Auch weil es musi­ka­lisch um die 35–jährige Part­ner­schaft mit Pra­to in Ita­li­en ging.

Mit einem glanz­vol­len Kon­zert hat die Stadt­ka­pel­le Wan­gen unter ihrer Lei­tung von Musik­di­rek­tor Tobi­as Zins­er am Sams­tag­abend ihr musi­ka­li­sches Jahr 2023 eröff­net. Die Besu­cher im voll besetz­ten Fest­saal der Frei­en Wal­dorf­schu­le erleb­ten eine Aus­wahl sym­pho­ni­scher Blas­mu­sik, wie sie schö­ner und bewe­gen­der nicht hät­te dar­ge­bo­ten wer­den kön­nen.

Jugend­blas­or­ches­ter eröff­net den Abend

Eröff­net wur­de der Abend mit Bei­trä­gen des Jugend­blas­or­ches­ters, das seit 2007 von Rei­ner Hobe geführt wird. Gleich zu Beginn zeig­ten die jun­gen Men­schen ihr in musi­ka­li­scher Sicht bekannt hohes Niveau. Sie prä­sen­tier­ten den Marsch aus der „Second Suite in F“ von Gus­tav Holst im Stil des eng­li­schen Mor­ris Dance, wobei die Melo­dien „Swan­sea Town“ und „Clau­dy Banks“ ohne Ver­zie­run­gen volks­lied­haft erklan­gen.

Das rhyth­misch äußerst anspruchs­vol­le Werk von Alan Sil­ves­tri aus dem mit meh­re­ren Oscars gekrön­ten Film „For­rest Gump“ for­der­te den Musi­kern und dem Diri­gen­ten eini­ges ab. Wer dach­te bei der rie­seln­den Melo­die, die am Ende zu einem gro­ßen Höhe­punkt geführt wird, nicht an die­sen wenig hel­len, aber eben­so gut­her­zi­gen Mann, der sich lau­fend die Welt erschließt und ein umju­bel­ter Football–Star, Kriegs­held und Tischtennis–Meister wird. Es folg­te ein Hit aus den Dis­ney Stu­di­os. „Pira­tes Of The Cari­be­an“ führ­te mit Hans Zim­mer mit­ten hin­ein ins wil­de Pira­ten­le­ben.

80 Musi­ker spie­len vor vol­lem Haus

Nach einer kur­zen Umbau­pau­se füll­te sich die Büh­ne mit den rund 80 Musi­ke­rin­nen und Musi­kern der Stadt­ka­pel­le. Bereits nach den ers­ten Tönen von Anto­nin Dvor­áks „Fest­marsch op 54“ stell­te sich die beson­de­re Atmo­sphä­re ein, die die­ses Orches­ter zu ver­brei­ten imstan­de ist. Ein Fest für die Ohren war auch das, was dann folg­te: die Urauf­füh­rung der von Fritz Neu­böck kom­po­nier­ten fünf musi­ka­li­schen Bil­der, die mit „Pon­te per la pace“, also „Brü­cke für den Frie­den“ über­schrie­ben sind.

Sowohl die Stadt Wan­gen als auch die Markt­ge­mein­de Eben­see unter­hal­ten mit der Stadt Pra­to in der Tos­ka­na seit genau 35 Jah­ren eine Part­ner­schaft. Was lag da näher, als zu die­sem Ereig­nis ein kom­po­si­to­ri­sches Werk in Auf­trag zu geben. Neu­böck, der am Sams­tag anwe­send war, hat die Fei­er­lich­kei­ten mit einer „Fan­fa­re der Freund­schaft“ ein­ge­läu­tet und mit dem „Mit­tel­al­ter­li­chen Tanz“ nach einer Melo­die des aus dem benach­bar­ten Flo­renz stam­men­den Kom­po­nis­ten Fran­ces­co Lan­di­ni (14. Jahr­hun­dert) an jene Zeit erin­nert, als Pra­to noch die „Lum­pen­kam­mer Euro­pas“ genannt wur­de.

Häft­lin­ge aus Pra­to star­ben in Eben­see

„Gebet an die Gefal­le­nen“ ist an jene belas­ten­de Ver­gan­gen­heit gebun­den, als vie­le Häft­lin­ge aus der Regi­on Pra­to in den Kriegs­wir­ren des Zwei­ten Welt­krie­ges ihr Leben im KZ–Außenlager „Zement“ in Eben­see las­sen muss­ten. Wie schreibt es Micha­el Lang in sei­nem Gruß­wort so ein­drucks­voll? „Es ist das kon­kre­te Bestre­ben, gemein­sam zu han­deln, damit der Frie­den und die Idea­le der Geschwis­ter­lich­keit und Soli­da­ri­tät unter den Völ­kern für die Zukunft gewähr­lei­tet wer­den.“

Das „Lied der Freu­de“ und „Freun­de für immer“ schließt nicht nur eine tanz­freu­di­ge Taran­tel­la mit ein, son­dern letzt­end­lich auch Sequen­zen von Pra­tos heim­li­cher Hym­ne „Voglio cant­are a te … Cit­tá di Pra­to“ von Rudol­pho Bac­ci­ni.

Der Höhe­punkt des Abends

Ein wah­rer Höhe­punkt des Früh­lings­kon­zer­tes war frag­los das „Diver­ti­men­to“ von Oli­ver Waespi“. Fan­fa­ren eröff­ne­ten das Stück. Kla­ri­net­te, Fagott und Oboe über­nah­men den eso­te­risch ange­hauch­ten zwei­ten Teil, wäh­rend im drit­ten Satz Funk–, Soul– und Blues­rhyth­men die Zuhö­rer in die Stra­ßen von New Orleans ent­führ­ten. Dank des unglaub­li­chen Tem­pos der Musi­ker ähnel­te der letz­te Satz mehr einem Veits­tanz als einem ame­ri­ka­ni­schen Volks­tanz.

Ins­ge­samt war die­ses Stück eine beein­dru­cken­de Mischung aus mit­rei­ßen­den und besänf­ti­gen­den Tönen, unter­legt mit zar­ten Soli, die dann wie­der im Gleich­klang mit dem Orches­ter ver­schmol­zen. Die einst in der Barock­zeit ent­stan­de­ne Art der Unter­hal­tungs­mu­sik und hier vom Kom­po­nis­ten nach­emp­fun­den, wur­de von der Stadt­ka­pel­le stim­mig umge­setzt.

Wie es nach der Pau­se wei­ter ging

Nach der Pau­se erin­ner­te die „Unga­ri­sche Rhap­so­die Nr. 2“ von Franz Liszt an ein­zel­ne Pas­sa­gen aus den Zei­chen­trick­fil­men wie „Tom und Jer­ry“ oder „Bugs Bun­ny“. Frank Tiche­lis „Ame­ri­can Elegy“, die ursprüng­lich geschrie­ben wur­de, um der Opfer eines amok­lau­fen­den jun­gen Ame­ri­ka­ners an der High School in Colum­bi­ne zu geden­ken, stand für das Andenken an alle Opfer sinn­lo­ser und ver­bre­che­ri­scher Gewalt. Ein eben­so emo­tio­nal anrüh­ren­des wie Hoff­nung spen­den­des Stan­dard­werk der Blas­mu­sik.

Bleibt noch „Dan­se Folat­re“ von Clau­de T. Smith. Einem leben­di­gen Stück, bei dem die ein­zel­nen Regis­ter gefor­dert waren. Wie ins­be­son­de­re das Schlag­werk sei­ne Viel­falt zei­gen konn­te.

„Pacon­chi­ta“ von Oscar Navar­ro lei­te­te über zu einem spa­ni­schen Paso Doble von José Vica­rio und dem iri­schen Rei­se­se­gen „May The Road Rise“ von Mar­kus Götz, die als Zuga­ben Stadt­ka­pel­le Wan­gen und Jugend­blas­or­ches­ter zu einer als wun­der­schön emp­fun­de­nen Har­mo­nie ver­ein­ten.

Quel­le: Schwä­bi­sche Zei­tung vom 03.04.2023